Kein Wunder daher, dass kaum einer der Gäste Anstoß an der Teilnahme
von Vertretern der US-Armee, der Bundeswehr und anderer Nato-Armeen
nimmt. Auch die RNZ kann offensichtlich keinen Widerspruch zwischen dem
Anspruch erkennen, für den Frieden einzutreten und der Beteiligung von
Armeen, die selbst gerade mörderische Aggressionskriege führen.
Selbstverständlich sollten wir die Verdienste der USA bei der Befreiung
Deutschlands vom Faschismus nicht vergessen und auch nicht die dabei
gefallenen US-Soldaten. Es ist aber geradezu absurd, an die 650.000
Opfer im Irak zu erinnern und gleichzeitig Vertreter der Truppen, die
dafür verantwortlich sind, feierlich Kränze zum Gedenken an ihre
eigene Opfer niederlegen zu lassen.
Dasselbe gilt selbstverständlich auch für Vertreter der Bundeswehr,
solange auch sie – wenn auch in geringerem Maße – sich an
völkerrechtswidrigen Kriegen, wie in Jugoslawien und Afghanistan beteiligt. Eine genaue Untersuchung der Opfer in Afghanistan steht
zwar noch aus, doch müssen wir auch hier von mehr als 100.000 Toten
seit Oktober 2001 ausgehen. Bereits im Mai 2002 hatte die britische
Zeitung „The Guardian“ die Zahl der afghanischen Opfer auf Basis der
Angaben von Hilfsorganisationen vor Ort auf 20.000 bis 50.000
geschätzt.
An diese Toten wollte auf dem Ehrenfriedhof letzten Sonntag
augenscheinlich niemand erinnern. „Menschen fallen, weil Fanatismus
stärker zu sein scheint als Menschlichkeit“, so Bürgermeister Gerner,
Offensichtlich hatte er hier das aktuelle Feindbild „Islamismus“ im
Visier. Ausgeblendet hat er dabei die weit mächtigere Seite.
„Fanatismus“ findet man sicherlich auch hier, wichtiger sind aber ganz
andere Gründe: Gier nach Macht, Bodenschätzen und Profit oder vornehmer
ausgedrückt, wirtschaftliche, machtpolitische und geopolitische
Interessen. Und der „Fanatismus“, den er meint, gedeiht vor allem
unter denen, die beim Kampf um diese Interessen systematisch zur
Verliererseite gehören.
Wer tatsächlich für den Frieden eintreten will, darf nicht zulassen,
dass Vertreter kriegführender Truppen durch Teilnahme an solchen
Gedenkfeierlichkeiten deren aktuelles Treiben verharmlosen können. Ich
hoffe die Verantwortlichen der Stadt nehmen in Zukunft ihre Worte
ernster und handeln auch entsprechend.
Mit freundlichen Grüßen,
Joachim Guilliard,
Heidelberg, 23.11.2006
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Siehe auch die als Offenen Brief an Oberbürgermeisterin Beate Weber verfaßte Erklärung
zum Volkstrauertag 2006 und zur Gedenkfeier auf dem Ehrenfriedhof