Ausführliche
Infos über die Visaverweigerung,
die juristischen Schritte und Protestaktionen siehe
auf der Sonderseite
bei LaborNet für die
Tour
Die ersten geplanten Veranstaltungen der Rundreise
der irakischen Gewerkschafter mussten leider ohne die eingeladenen
Referenten, Frau Boshrah A. Abbood und Herr Taha A. Ibraheem Breshdi
stattfinden. Überraschend wurde ihnen von der deutschen Botschaft in Bagdad kurzfristig und ohne Angabe von Gründen die Einreisevisa verweigert.
Wie in anderen Städten, so wird sie auch in
Heidelberg auf jeden Fall stattfinden:
am 4.11., 19.30 Vokshochschule
Ersatzweise mit Dr. Sabah Alnasseri, Exiliraker und Politiloge aus
Frankfurt.
Mehrere Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, insbesondere Ulla
Jelpke u. Norman Paech , sowie Christian Ströbele
von den Grünen haben sich ind er letzten Woche intensiv um eine
Einreisegenehmigung bemüht. Parallel dazu haben wir auch juristische
Schritte eingeleitet. Außerdem sind eine große Zahl von Protestbriefen
bei der Botschaft und dem Auswärtigen Amt eingetroffen (siehe z.B. das Protestschreiben
der GEW Kreis Rhein-Nekar/Heidelberg vom 25.10.2005).
Wie einem Schreiben der Botschaft zu entnehmen ist, blieben sie nicht
ohne Wirkung. Das AA ist nach Auskunft von Ströbeles Mitarbeiter
mittlerweile mit dem Vorgang befasst und versucht eine (positive)
Klärung herbeizuführen. Die Hoffnung, dass der Weg für die beiden bald
freigemacht würde, hat sich aber leider nicht erfüllt, obwohl das AA
auch der Frankfurter Rundschau gegenüber verlauten ließ, es könne bis zur
Veranstaltung in Frankfurt, 3.11. noch klappen. Langsam läuft hierfür
die Zeit aber ab.
Hintergründe
Klarer geworden sind die Gründe für die Weigerung. Das Auswärtige
Amt hatte nie was gegen die Einreise, Einspruch kam von den
Sicherheitsbehörden, die Bedenken anmeldeten. Aus Datenschutzgründen
könne man diese aber nicht
weitergeben. Unser Anwalt hat deswegen den
Bundesdatenschutzbeauftragten eingeschaltet. Die Abgeordneten versuchen
über den Sicherheitsausschuß etwas zu erreichen. (Ausführliche Infos
darüber auf der Sonderseite
bei LaborNet)
Offensichtlich soll es aber als Begründung schon
ausreichen, einer Organisation
anzugehören, die sich aktiv für ein Ende der Besatzung engagiert, um in
Deutschland als Sicherheitsrisiko abgewiesen zu werden. Wie so oft
erweisen
sich deutsche Behörden päpstlicher als der Papst. Der Vorsitzende der
Gewerkschaft konnte im Frühjahr problemlos an einer Rundreise
irakischer
Gewerkschafter durch die USA und an mehreren Veranstaltungen in London
teilnehmen.
Zur Erinnerung: Die beiden eingeladenen
Gewerkschafter, Frau Abbood und Herr Breshdi sind von der Allgemeinen
Gewerkschaft der Beschäftigten im Ölsektor GUOE, einem
Zusammenschluss
von Betriebsgewerkschaften der staatlichen Energieunternehmen im Süden
Iraks, mit über 23.000 Mitgliedern.
Die GUOE ist parteipolitisch und weltanschaulich
neutral,
wendet sich aber entschieden gegen die US-amerikanische Besatzung und
die
wirtschaftlichen Pläne Washingtons. So konnte in einer Reihe von
staatlichen
Unternehmen die Übernahme der Kontrolle durch US-amerikanische Firmen
verhindert werden. In Arbeitskämpfen konnten sie zudem substantielle
Verbesserungen der Löhne und der
Arbeitsbedingungen durchsetzen. (siehe hierzu die Links
auf der AKF-Homepage)
Opposition gegen Besatzung kein
"Sicherheitsrisiko"
Die Gewerkschaft ist damit ohne Zweifel eine für
die Besatzungsmacht sehr unbequeme Organisation, ihre Vertreter stellen
aber sicherlich kein Sicherheitsrisiko für die BRD dar.
„Wir unterstützen alle Arten des ehrenhaften
Kampfes im Irak“, so ihr Vorsitzender Hassan Juma'an Awad in einem Interview.
„Wir möchten, dass die Besatzung sofort aufhört. Aber wir sind gegen
alle Terrorakte gegen die irakische Zivilbevölkerung durch gewisse
Terrororganisationen im Irak. Das unterstützen wir nicht. Dagegen sind
wir eben so sehr wie gegen die Besatzung.“
Vermutlich stützen sich die deutschen Sicherheitsdienste auf
Stellungnahmen wie im ersten Satz von Hassan Awad, um Mitglieder der
GUOE zu unerwünschten Personen zu stempeln. Von deutscher Seite wurde
von Beginn an der Widerstand gegen die Besatzung pauschal mit
Terrorismus gleichgesetzt und damit die Fortsetzung der Besatzung
legitimiert. Die eindeutige Verurteilung des Terrors durch alle
oppositionellen Gruppen (wie z.B. in den nachfolgenden Sätzen Awads und deutlicher noch in anderen
Stellungnahmen) wird einfach ignoriert.
Im Gegensatz zur Bundesregierung befinden sich die
Öl-Gewerkschafter völlig im Einklang mit
internationalem Recht. Die Besatzung ist das Ergebnis eines
völkerrechtswidrigen Angriffkrieges und somit ebenfalls illegal. Daran
kann auch die Billigung der Besatzungstruppen durch irakische
Regierungen nichts ändern, die gebildet wurden, während diese Truppen
die faktische Macht im Lande ausüben.
Die politische
und militärische Unterstützung dieses Verbrechens durch die deutsche
Regierung
ist, so jüngst das Bundesverwaltungsgerichtes im Urteil im Fall des
Major
Pfaffs, selbst ein völkerrechtliches Delikt.
Widerstand gegen Besatzung und Fremdherrschaft
dagegen, auch militärischer ( innerhalb der völkerrechtlichen Grenzen),
ist selbstverständlich legitim. Ausgenommen davon sind –
ebenso selbstverständlich – Anschläge auf die Zivilbevölkerung,
Entführungen
etc..
Auch wenn die Ölgewerkschafter sich hinter alle
legitimen
Formen des Widerstands stellen, so bleibt die GUOE selbstverständlich
eine rein
politische Organisation, die sich ausschließlich mit gewerkschaftlichen
Mitteln für
ihre Ziele einsetzt. Ihr Ziel ist, "eine neue Demokratie aufzubauen –
eine, die die Interessen der irakischen Bevölkerung vertritt, nicht die
der USA" (so Awad in oben erwähntem Interview).
Tatsächliche Gefahr gilt herrschendem Bild vom Irak
Das ist natürlich auch den Sicherheitsdiensten und
dem Innenministerium bekannt.
Gefährlich für die Bundesregierung sind die
Gewerkschafter daher aus ganz anderen, als den vorgegebenen Gründen:
sie
könnten einen erheblichen Beitrag dazu leisten, das Bild zu zerstören,
mit dem hierzulande die Besatzungspolitik beschönigt
und ihre Unterstützung aus Deutschland gerechtfertigt wird. Die
Berichte der
Iraker würden zeigen, wie verheerend die Lebensbedingungen nach 30
Monaten
Besatzung sind, wie stark die Ablehnung der US-amerikanischen Präsenz
ist, wie
unsinnig die Einteilung der Iraker bezüglich politischer Fragen in
Sunniten und
Schiiten ist und vieles mehr.
Sie würden insbesondere zeigen, dass die
Alternative im Irak
keineswegs zwischen langandauernder Besatzung durch fremde Truppen auf
der
einen und der Gewalt des Terrors, Chaos und Bürgerkrieg auf der anderen
Seite
besteht, und dass es sehr wohl eine politische und zunehmend
einheitliche
Opposition gegen die Besatzung gibt, die Ansprechpartner für die
Friedensbewegung im Westen sein kann.
Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass in
zunehmendem
Maße Menschenrechte mittels nicht überprüfbaren
Geheimdienstinformationen
ausgehebelt und von der Öffentlichkeit als Rechtfertigung repressiver
Maßnahmen
akzeptiert werden.
Wir düfen nicht akzeptieren, dass
Vertreter der irakischen Zivilgesellschaft, die für einen unabhängigen
und
demokratischen Irak kämpfen, hier nicht zu Wort kommen dürfen, während
gleichzeitig die US-Armee ihre Basen auf deutschen Boden für Krieg und
Besatzung nutzen können und mit General Ricardo Sanchez einer der
Hauptverantwortlichen für die Folter in Abu Ghraib unbehelligt seiner
mörderischen Arbeit in Heidelberg nachgehen darf.
Es werden daher alle Veranstaltungen stattfinden,
bis Frau
Abbood und Herr Breshdi eintreffen, mit anderen Irak-Experten als
Referenten. Die bisherigen Veranstaltungen waren alle relativ gut
besucht, überall gab es natürlich vehementen Protest gegen die
Verweigerung der Visa.
In Heidelberg wird ersatzweise der
exil-irakische Politologe
Dr.
Sabah Alnasseri sprechen.
Sabah ist Exiliraker
und
beschäftigt sich aktuell in seinen Studien mit dem politischen
Geschehen im
Irak. Sein persönliches Interesse gilt vor allem den neuen
Basisorganisationen
im Irak. Er kann uns daher sowohl etwas über die Gewerkschaftsbewegung
und
sonstige Bewegungen erzählen als auch über allgemeine Situation,
insbesondere
wie die neue Verfassung einzuschätzen ist.
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