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Teil des Widerstands

Erfolgreicher Abwehrkampf: Unabhängige Gewerkschaften im Ölsektor verteidigen Iraks Ressourcen. 
Abzug der US-Truppen auf der Agenda

Ein Überblick über die Gewerkschaftsbewegung im Irak

Joachim Guilliard, junge Welt vom 14.07.2005
 
Neben unzähligen Guerillagruppen machen nun auch Gewerkschaften und die sogenannte Zivilgesellschaft dem US-geführten Besatzungsregime im Irak zu schaffen. Neben den bewaffneten Widerstandszellen entstand eine zivile Opposition, die immer stärker wird und immer besser organisiert ist. Auf mehreren großen landesweiten Konferenzen bemühten sich in den vergangenen Monaten Organisationen mit unterschiedlichstem ideologischen Hintergrund um einen nationalen Konsens. Das bedeutendste Sammelbecken des zivilen Widerstands stellt aktuell der Irakische Nationale Gründungskongreß (Iraqi National Foundation Congress, INFC) dar, in dem sich über 60 Organisationen zusammengeschlossen haben. Vertreten sind religiöse Organisationen aller Konfessionen ebenso wie säkulare, nationale und linke Gruppierungen, Kurden ebenso wie Turkmenen und andere nationale Minderheiten. Auch Gewerkschafter beteiligen sich an diesem Bündnis.

Loyale Partner

Nachdem es vor der US-Invasion nur eine staatsnahe Einheitsgewerkschaft, den Allgemeinen Gewerkschaftsbund (GFTU) gegeben hatte, entstanden nach dem Sturz des alten Regimes zahlreiche neue Gewerkschaften und Gewerkschaftsbünde, die meisten organisiert von politischen Parteien. So werden die Allgemeine Föderation der Irakischen Gewerkschaften (GFOUI) vom Obersten Rat der islamischen Revolution (SCIRI) und der Dawa-Partei geleitet – zwei der Parteien, die die aktuelle Übergangsregierung stellen – und der Irakische Gewerkschaftsbund (IFTU) von der Kommunistischen Partei sowie der Partei des ehemaligen Interimspremiers Ijad Allawi. Der IFTU ist zudem eng verbunden mit dem Kurdischen Arbeitersyndikat, das von den beiden kurdischen, mit den US-Besatzern verbündeten Parteien PUK und KDP kontrolliert wird. Der KP-nahe IFTU wurde als einziger Gewerkschaftsverband von der Besatzungsmacht offiziell anerkannt und konnte sich Nachlaß und Mitgliederlisten des alten Gewerkschaftsbundes sichern. Diese sind die Basis für die angebliche Stärke von über 200 000 Mitgliedern der von oben gegründeten und aufgebauten Föderation.

Daneben entstand aber auch eine Reihe starker unabhängiger Gewerkschaften. Die bedeutendste ist die Allgemeine Gewerkschaft der Beschäftigten im Ölsektor (GUOE) mit Sitz in Basra. Die GUOE, die auch Basra-Ölgewerkschaft genannt wird, hat ihre Wurzeln in der Gewerkschaft der Südlichen Ölgesellschaft, die bereits im April 2003 – zwei Wochen nach Einmarsch der Besatzungstruppen – gegründet wurde. Sie ist nun ein Zusammenschluß mehrerer Gewerkschaften aus der Energiebranche, in denen über 23 000 Beschäftigte aus den neun irakischen Konzernen organisiert sind, die im Südirak den Ölsektor bilden.

Auch wenn die Aktivisten verschiedenen Parteien angehören können, so ist die GUOE parteipolitisch und weltanschaulich neutral. Zum Grundkonsens der Gewerkschaft gehört die prinzipielle Ablehnung der militärischen und wirtschaftlichen Besatzung des Landes sowie der Privatisierung allgemein. Die Ressourcen und die Industrie werden als Eigentum der irakischen Bevölkerung betrachtet. Der Reichtum des Iraks soll allen Irakern zugutekommen, Ziel sind die Beseitigung der Armut und der Wiederaufbau des Landes.

Nach Angaben von Sami Ramadani, Mitbegründer der Gruppe »Irakische Demokraten gegen die Besatzung«, sind die GUOE und ihre Mitgliedsgewerkschaften die einzig legitimierten Arbeiterorganisationen. Keiner der parteigebundenen Gewerkschaftsverbände habe sich bisher die Mühe gemacht, seine Führung durch Wahlen zu legitimieren, beklagt der Londoner Hochschuldozent. Einzig die GUOE habe Wahlen durchgeführt und eine Satzung ausgearbeitet. Im Gegensatz zu den anderen Gewerkschaften, so Ramadani, seien sie vor Ort sichtbar aktiv und führten Arbeitskämpfe.

Lohnkampf in Basra

Erste erfolgreiche Aktion gegen die Besatzung und die vom damaligen US-Statthalter Paul Bremer verordneten Hungerlöhne war ein dreitägiger Streik im August 2003. Es gelang damals, die Löhne mehr als zu verdoppeln und die Übernahme der Arbeitsplätze durch Arbeiter, die von US-Konzernen ins Land gebracht wurden, zu verhindern. Mit Solidaritätsaktionen und Proteststreiks reagierten die Gewerkschafter zudem auch auf Angriffe der Besatzungstruppen auf irakische Städte wie Nadschaf und Falludscha.

»Wir unterstützen alle Arten des ehrenhaften Kampfs im Irak«, stellt der GUOE-Vorsitzende Hassan Jumaan Awad klar, »und wir möchten, daß die Besatzung sofort endet. Aber wir lehnen alle Terrorakte gegen die Zivilbevölkerung durch gewisse Terrororganisationen im Irak ab.« Auch die mutwillige Unterteilung der Bevölkerung in Sunniten und Schiiten durch die Besatzungsmacht und ihre irakischen Hilfskräfte weist der Gewerkschafter zurück. »Niemals zuvor gab es eine solche Trennung. Unsere Familien heirateten untereinander, wir lebten und arbeiteten zusammen. Und heute widerstehen wir gemeinsam dieser brutalen Besatzung, von Falludscha bis Nadschaf und Sadr City. Der Widerstand gegen die Besatzungsmächte ist ein gottgegebenes Recht der Iraker, und wir, als eine Gewerkschaft, sehen uns selbst als einen notwendigen Teil dieses Widerstandes.«

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Adresse: http://www.jungewelt.de/2005/07-14/005.php