Hamas, Ehud Barak und “Oasen des Friedens“
– Widerspruch gegen die “Palästinenser-Alleinschuld-These“ der
Bundesregierung
von Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen
Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes
Freising, 2.1.2009
Am 30.12.2008 berichtete die Süddeutsche Zeitung: “Bundeskanzlerin
Angela Merkel gibt der Hamas die alleinige Schuld an der aufflammenden
Gewalt im Nahen Osten“. Ähnlich äußerte sich Außenminister Frank-Walter
Steinmeier, der Verständnis für die israelischen Bombardierungen
zeigte. Der nachfolgende Beitrag möchte nicht die palästinensische
Seite von Schuld, Fehlern und Versagen freisprechen, sondern der
skandalös einseitigen Bewertung der deutschen Bundesregierung Argumente
und Fakten entgegen halten, um zu einer Beurteilung jenseits von
"Schwarz-Weiß-Denken" zu kommen. Weil er als Widerspruch zur
vermeintlichen “Alleinschuld“ der palästinensischen Seite angelegt ist,
verzichtet er auf “Ausgewogenheit“, sondern zeigt verstärkt nicht
wahrgenommene positive Ansätze der palästinensischen Seite und benennt
gleichzeitig kritische Aspekte der israelischen Politik. Am Ende stehen
Hoffnungszeichen, die in die Zukunft weisen.
Hamas – kein monolithischer Block von Hardlinern
Das Buch der deutschen Professorin Helga Baumgarten “Hamas. Der
politische Islam in Palästina, München 2006“ liest sich aus der Sicht
der Bombardierungen im Gazastreifen und der Kassam-Raketen auf Israel
wie eine lange Kette versäumter Möglichkeiten zum Ausgleich zwischen
Israelis und Palästinensern. In ihrer äußerst differenzierten
Untersuchung weist die Autorin auf wenig bekannte Sachverhalte hin, die
den Pauschalvorwürfen, die Hamas anerkenne Israels Existenz nicht an
und wolle das Land zerstören, die Grundlage entziehen.
Die “Gemeinde der Muslime in Jordanien und Palästina“, aus der die
Hamas hervorging, wurde von der israelischen Regierung finanziell
unterstützt: “David Shipler, ehemaliger Korrespondent der New York
Times in Israel, schreibt in seinem Buch über diese Periode (Anm. C.R.:
1967-1975, gemeint ist die sog. “Moschee-Bau-Periode“), dass ihm der
damalige israelische Militärgouverneur in Gaza, Brigadier General
Yitzhak Segev, erzählt habe, wie er die islamische Bewegung dort als
Gegengewicht gegen die PLO und die Kommunisten finanziert habe“ (H.
Baumgarten, Hamas, S. 32).
Die ersten Selbstmordanschläge der 1987 gegründeten Hamas (arab.:
“Eifer“) erfolgten nach dem Massaker 1994 in Hebron, bei dem
Baruch Goldstein in israelischer Militäruniform 29 Muslime in der
Abrahams-Moschee ermordet hatte. Diese erste Hamas-Anschlagsserie
endete vorläufig im März 1997 mit Attentaten in Tel Aviv und Jerusalem.
Danach gab es heftige interne palästinensische
Auseinandersetzungen über Selbstmordanschläge, die nach der Freilassung
von Scheich Ahmad Yasin bis März 2001, also über einen Zeitraum
von vier Jahren und ein halbes Jahr nach dem Tempelbergbesuch Ariel
Scharons, gestoppt wurden. Im März 2004 wurde Ahmad Yasin, der Gründer
der Hamas, von einer israelischen Bombe ermordet, kurze Zeit später
ebenso sein Nachfolger Dr. Rantisi.
Während der Amtszeit von Ministerpräsident Netanyahu erfolgte 1997 ein
Mordanschlag auf den derzeit im Exil in Damaskus lebenden Hamas-Führer
Khalid Maschaal: “Der israelische Geheimdienst Mossad versuchte am 25.
September (Anm. C.R.: 1997), Kahlid Maschaal, den Chef des
Hamas-Politbüros, in Amman mit Nervengift zu ermorden. Der Anschlag
schlug fehl, Maschaal konnte rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht
werden, und König Hussein von Jordanien zwang Netanyahu, das notwendige
Gegengift zu liefern, um Maschaal zu retten. In einem komplexen
Arrangement von quid pro quo (Anm. C.R.: was für was) entließ nun
Israel Scheich Ahmad Yasin aus dem Gefängnis und brachte ihn nach
Amman, König Hussein erlaubte die Rückkehr der acht Mossad-Agenten, die
in den Anschlag verwickelt waren bzw. ihn ausgeführt hatten, nach
Israel. Eine Reihe von palästinensischen und jordanischen Gefangenen
wurden ebenfalls freigelassen. Der jordanische Monarch erzwang diese
Arrangements aus zwei Gründen. Erstens wollte er Israel klar machen,
dass die Bestimmungen des israelisch-jordanischen Friedensvertrages
einzuhalten waren. Diese verboten jeden Einsatz von Geheimdiensten im
jeweiligen Nachbarstaat. Zweitens hatte Hussein Netanyahu genau zwei
Tage vor dem Attentat gegen Maschaal, am 23. September, schriftlich
informiert, dass die Hamas zu einem Dialog mit Israel und zu einem
Stopp der Selbstmordattentate bereit sei“ (H. Baumgarten, S. 128f.).
Helga Baumgarten schreibt: “Die Antwort der Hamas auf die Forderung nach
Gewaltverzicht im israelisch-palästinensischen Konflikt ist die
Einhaltung eines Waffenstillstandes, den die Hamas selbst seit Anfang
2005 akribisch eingehalten hat. Am deutlichsten hat Kahlid Maschaal,
Chef des Hamas-Politbüros, diese Position in einem Artikel
ausgesprochen, der am 31. Januar (Anm. C.R. 2006) im englischen
Guardian und am 1. Februar (Anm. C.R.: 2006) in der Los Angeles Times,
allerdings unter einem anderen Titel, publiziert wurde. Der Schlusssatz
formuliert eindeutig: “ ...Wenn Sie bereit sind, das Prinzip eines
langfristigen Waffenstillstandes anzunehmen, sind wir bereit, dessen
Modalitäten zu verhandeln. Die Hamas reicht allen, die wirklich einen
Frieden auf der Grundlage der Gerechtigkeit wollen, ihre Hand zu
Frieden“.
Nach dem Wahlsieg der Hamas im Januar 2006 erklärte der frisch gewählte
Regierungschef Ismail Haniyeh am 26. Februar 2006 in einem Interview in
der Washington Post: “Wenn Israel erklärt, dass es dem
palästinensischen Volk einen Staat ermöglicht und ihm seine Rechte
zurückgibt, dann sind wir bereit, Israel anzuerkennen“ (H. Baumgarten,
Hamas, S. 186).
Wenige Tage vorher, am 16. Februar 2006, sagte Azzam Tamimi, Leiter des
Londoner “Institut für Islamische Politische Theorie“ , der die Hamas
in Medienfragen berät, in einem Interview mit der Jerusalem Post, “dass
die Hamas-Führung in Beirut und Damaskus an einer Änderung der Charta
arbeite. Diese solle gemäßigter und ohne antisemitische Formeln und
Argumentationsmuster, in ein wirkliches politisches Dokument
umgeschrieben werden. `Der ganze Unsinn über die Protokolle der Weisen
von Zion und die Verschwörungstheorien, all dieser Mist russ heraus. Er
hätte eigentlich von Anfang an nicht auftauchen dürfen´. Über die
Protokolle der Weisen von Zion sagt Tamini: `Niemand mit Selbstrespekt
sollte in eine solche Falle geraten, denn dieses Buch ist eine absolute
Fälschung´. Allerdings, so meinte er, würde sich die Hamas nach den
Wahlen 2006 sicher noch mit einer Änderung der Charta zurückhalten, um
nicht den Eindruck zu erwecken, dem Druck aus dem Westen nachgegeben zu
haben“ (H. Baumgarten, Hamas, S. 65).
Vor dem Hintergrund der Ereignisse am Jahreswechsel 2008/2009 hätte die
Führung der Hamas sehr viel Angriffsfläche vermeiden können, wenn sie
sich zu einer offiziellen Korrektur ihrer Charta hätte durchringen
können - und wenn es ihr gelungen wäre, sämtliche Raketenabschüsse auf
Israel zu unterbinden.
Verteidigungsminister Ehud Barak – ein Mann mit Vergangenheit
Die Süddeutsche Zeitung schrieb am 29.12.2008: “Eine Begründung für die
Militärschläge lautet bei Barak so: `Wir leben hier nicht in Schweden,
sondern in einer grausamen Realität. Die Schwachen erhalten kein
Erbarmen´“.
Verteidigungsminister Ehud Barak, der bei den Wahlen im Februar 2009
trotz schlechter Umfragewerte seiner Arbeitspartei gerne Regierungschef
werden möchte und eine Schlüsselfunktion bei der Beendigung des Krieges
besitzt, war nach Aussagen einiger Autoren bereits mehrfach an
politischen Morden beteiligt, die allerdings nicht zu einer
Verurteilung führten.
In seinem Buch “Es war einmal ein Land. Ein Leben in Palästina“,
München 2008, schreibt Sari Nusseibeh, seit 1995 Präsident der
Al-Quds-Universität in Jerusalem und Träger des Lew-Kopelew-Preises für
Frieden- und Menschenrechte über einen Mordanschlag an Abu Dschihad,
der zunächst als palästinensischer “Che Guevara“ galt, sich allerdings
nach dem Libanon-Einmarsch 1982 einer strikt gewaltlosen Position
verschrieben hatte. Der Anschlag auf ihn ereignete sich knapp acht
Monate nach dem Beginn der ersten Intifada 1987 - und Nusseibeh
beschreibt ihn folgendermaßen:
“Mit anderen Worten, die Entscheidung der israelischen Regierung, Abu
Dschihad zu eliminieren, hatte nichts mit Terrorismus zu tun. Im
Gegenteil, was die Militärstrategen wohl geradezu verrückt machte, war
die Tatsache, dass die stärksten Waffen des Feindes nicht Bomben oder
hasserfüllte Rhetorik waren, denen man mühelos hätte entgegentreten
können, sondern ziviler Ungehorsam und eine gut organisierte »weiße,
gewaltlose Revolution«. Und da es den Israelis nicht gelungen war, des
Problems in den besetzten Gebieten Herr zu werden, beschlossen sie, den
»führenden Kopf« zu beseitigen.
Der Mord fand in einem ruhigen Vorort von Tunis statt, wo der ehemalige
Guerillaführer seine Freizeit meist im Garten verbrachte. (...)
Inzwischen kreiste Ehud Barak in einer Boeing 707 über dem Ort und gab
per Funk seine Anweisungen für die zwanzig Einheiten am Boden. Als Umm
(Anm. C.R.: Abu Dschihads Frau) ein Geräusch hörte, ging sie nachsehen,
was los war. Ihr Mann war bereits auf und schlich mit einer Pistole in
der Hand auf Zehenspitzen zur Zimmertür. Sie wollte ihm folgen, doch er
winkte ab. In diesem Augenblick sah sie ihn: Einen Mann Anfang zwanzig,
mit blondem Haar und einer Perücke vor dem Mund - wie ein junger
Chirurg, der im Begriff war einem Patienten die Mandeln herauszunehmen.
Abu Dschihad wollte gerade schießen, da feuerte der junge Mann auch
schon gelassen und ohne ein Wort die gesamte Ladung seines
Maschinengewehrs auf ihn ab. Zwei weitere Männer des Kommandotrupps
schossen ebenfalls ihre Magazine leer, dann verschwanden alle wieder.
Es fiel nicht ein Wort“ (S. 274f).
Nusseibeh charakterisiert den israelischen Verteidigungsminister
folgendermaßen: “Als Ehud Barak und die Arbeitspartei 1999 die Wahlen
in Israel gewannen, jubelten alle, die den Frieden wollten. Barak galt
weithin als ein Mann, der komplexe Vorgänge sofort erfasste. Er hatte
Mathematik studiert, war eine der Hauptfiguren bei der riskanten
Rettungsaktion am ugandischen Flughafen Entebbe und ein brillanter
Stabschef gewesen (...). Zweifellos erinnerten sich die Araber auch an
seine anderen Taten, zum Beispiel an seine Rolle bei der Ermordung Abu
Dschihads oder an die sogenannte Operation »Springtime of Youth«, bei
der er, als Frau verkleidet, Mitglieder einer PLO-Zelle in Beirut
erschossen hatte“ (S.404).
Über dieses Attentat schreibt der deutsche Journalist Johannes Zang in
seinem Buch “Unter der Oberfläche. Erlebtes aus Israel und Palästina,
Berlin, 2008“: “Der spätere israelische Ministerpräsident Ehud Barak
war am 10. April 1973, als Frau verkleidet, am Mord an dem
palästinensisch-christlichen Dichter und PLO-Sprecher Kamal Nasir in
dessen Bett in Beirut beteiligt“ (S. 25).
Ende Januar 2001 trafen sich Ehud Barak und Yassir Arafat in Taba, um
mit ihren jeweiligen Delegationen nach dem Scheitern in Camp David im
Jahre 2000 vielleicht doch noch zu einem Friedensvertrag zu kommen.
Nusseibeh kommentiert: “Taba kam zu spät. Arafats Haltung war
ambivalent, denn taktisch schien es ihm wenig sinnvoll, ein Abkommen
mit einer israelischen Regierung zu schließen, die auf ihre Abwahl
zusteuerte. Barak wiederum zauderte, weil er sich nicht sicher war, ob
ihm ein Abkommen zu einem Sieg bei den bevorstehenden Wahlen verhelfen
würde“ (S. 421). Während des Schreibens dieses Artikels scheint Ehud
Barak wieder vor Wahlen zu zaudern: Diesmal angesichts der Frage, ob
der Einsatz von Bodentruppen ihm bei den bevorstehenden Wahlen im
Februar 2009 nützlich sein wird oder nicht.
Uri Avnery – folgt auf Hamas Jihad?
Am 14.2.2006 veröffentlichte “Spiegel online“: “Die `New York Times´
berichtet heute über amerikanische und israelische Pläne, die neue
Hamas-Regierung so zu destabilisieren, dass es in nicht allzu ferner
Zukunft zu Neuwahlen kommen könnte. Laut NYT geht es dabei vor allem
darum, die Islamisten von internationalen Hilfsgeldern und Kontakten
abzuschneiden. Dadurch würden die Palästinenser in eine so schwierige
Lage kommen, dass sie nach einiger Zeit unter der Hamas von selbst
wieder zu einer reformierten Fatah unter Palästinenserpräsident Mahmud
Abbas zurückkehren wollten. (www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,400826,00.html)
Nach dreijährigem Warten und dem Scheitern dieser Strategie hat sich
die israelische Regierung zum Krieg entschlossen, der sechs Monate
vorher - noch mitten in der Waffenruhe zwischen Hamas und der
israelischen Regierung - beschlossen worden war (s. Süddt. Zeitung,
29.12.2008).
Uri Avnery schreibt in seinem Buch “Von Gaza nach Beirut“,
Klagenfurt/Wien 2006: “Die Trennung vom Gazastreifen, die ohne Dialog
mit den Palästinensern durchgeführt wurde, diente Israel nur als
Vorwand, eine Blockade des Gazastreifens durchzuführen und das Leben
dort in eine Hölle zu verwandeln. Als die Hamas zur Macht kam, holte
die israelische Regierung alle alten Slogans, die einmal gegen die PLO
benützt worden waren, vom Dachboden: sie sei eine Terrororganisation,
sie anerkenne Israels Existenzrecht nicht an, in ihrer Charta werde zur
Zerstörung Israels aufgerufen. Aber Hamas hat sich gewissenhaft seit
über einem Jahr von gewalttätigen Angriffen fern gehalten. Als sie zur
Macht kam, konnte sie nicht über Nacht ihre Ideologie aufgeben, aber
mehr als einmal fand sie Wege, um deutlich zu machen, dass sie damit
einverstanden sei, mit Israel zu verhandeln und dieses innerhalb
der Grünen Linie anerkennen werde. Eine Regierung, die an Frieden
interessiert ist, würde die Gelegenheit beim Schopfe packen und Hamas
mit Verhandlungen auf die Probe stellen. Stattdessen entscheidet sich
Ministerpräsident Ehud Olmert, allen Kontakt mit ihr abzubrechen und
die USA und Europa zu drängen, die Palästinenser buchstäblich
auszuhungern, bis sie sich schließlich unterwerfen. Wahrscheinlich
würde sich dasselbe noch einmal abspielen: denn diejenigen, die Hamas
nicht wollen, werden den Islamischen Jihad bekommen“ (S. 125).
Hoffnungszeichen: Evi Guggenheim Shbeta, Eyas Shbeta und das Modell
“Neve Shalom/Wahat al-Salam“
Evi Guggenheim Shbeta, Israelin und Eyas Shbeta, Palästinenser, leben
als Ehepaar im gemeinsamen israelisch-palästinensischen Dorf “Neve
Shalom/Wahat al-Salam“ (Oase des Friedens), zwischen Tel Aviv und
Jerusalem gelegen. Ihre Kinder meinten in einem TV-Interview mit dem
Schweizer Fernsehen im Jahre 2008, sie könnten nicht sagen, welche der
beiden Identitäten nun eigentlich ihre sei.
Beide Ehepartner haben zusammen das Buch “Oase des Friedens - Wie eine
Jüdin und ein Palästinenser in Israel ihre Liebe leben“ München 2004,
geschrieben, das sie mit den Sätzen beschließen: “Das Ende der zweiten
Intifada ist noch immer nicht abzusehen. Der Bau der Mauer zwischen
unseren beiden Völkern wird fortgeführt. Die Situation im Nahen Osten
scheint verfahrener und hoffnungsloser denn je. Die Jahre der sich
immer schneller drehenden Gewaltspirale verlangen von uns
Friedenskämpfern einen sehr langen Atem und viel Ausdauer. Wir wissen
aus unserer Arbeit in der Friedensschule, dass diese Verhärtung der
Fronten manchmal kaum auszuhalten ist, aber wir wissen auch, dass wir
diese Phase hinter uns lassen und in eine andere, bessere Zukunft
schauen werden. Wer sich in dieser Zeit in den Medien über das
Geschehen im Nahen Osten informiert, bekommt den Eindruck, es gäbe
zwischen Juden und Palästinensern nur Gewalt. Dass ein friedlicher
Alltag zwischen beiden Völkern möglich ist, beweisen wir in unserem
Dorf Neve Shalom/Wahat al-Salam täglich. Im Herbst 2003 haben wir
erneut Geschichte im Nahen Osten geschrieben: Wir haben in der »Oase
des Friedens« die erste binationale, zweisprachige
jüdische-palästinensische Oberschule eröffnet und kämpfen nun darum,
wie wir es schon bei der Gründung unserer Grundschule taten, sie am
Leben zu erhalten. Unsere Freunde auf der ganzen Welt helfen uns dabei“
(S. 320).
Was in Neve Shalom/Wahat al-Salam geschieht, ist kein Einzelfall: In
“Givat Haviva“ begegnen sich junge Israelis und Palästinenser und
schließen Freundschaften, in den “Hand in Hand“-Schulklassen in
Jerusalem gehen Kinder beider Seiten gemeinsam zur Schule. Im Projekt
“PRIME“ entwickeln Lehrerinnen und Lehrer beider Seiten in der Schule
Talita Kumi zusammen Lehrmaterialien, die von beiden Parteien im
Unterricht anerkannt werden. In Elternkreisen (“parents circle“)
treffen sich mehrere hundert Israelis und Palästinenser, die engste
Angehörige durch Gewalttaten der jeweils anderen Seite verloren haben,
trauern gemeinsam, versöhnen sich - und werben jeweils paarweise in
Universitäten und Schulen für ein Ende der Gewalt im Nahostkonflikt.
Israelische Soldaten verweigern derzeit zu Hunderten den Kriegsdienst
in den besetzten Gebieten, palästinensische Intellektuelle haben
mehrfach zu einem Stopp von Selbstmordanschlägen aufgerufen. Im Rahmen
des Monitor-Projektes “Zivile Konfliktbearbeitung“, Dossier III, der
Israel-Palästina-Konflikt, hg. von der Kooperation für den Frieden,
zeigen Professor Andreas Buro und ich gemeinsam Wege aus der Eskalation
auf und stellen die so wichtige Arbeit von Friedensgruppen vor (www.koop-frieden.de).
Nach einem möglichst baldigen Waffenstillstand ist zu hoffen, dass
diese und viele andere Projekte irgendwann einmal so stark werden, dass
sie zu einem wirklich gerechten und tragfähigen Frieden zwischen
Israelis und Palästinensern führen. Wer Ilan Pappes Buch “Die
ethnische Säuberung Palästinas“, Frankfurt, 2007, gelesen hat und
bereit ist, den Dialog darüber mit beiden Seiten zu führen, kann
derzeit nur erahnen, wie weit und beschwerlich der Weg zu einer
Aussöhnung im Nahostkonflikt noch sein wird.
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Zum Internationalen Versöhnungsbund:
Der Internationale Versöhnungsbund wurde 1919 gegründet. Heute
engagieren sich Versöhnungsbund-Mitglieder in 23 nationalen Zweigen
sowie in 42 Friedensorganisationen weltweit. Der Verband hat
Beraterstatus bei den Vereinten Nationen. Im Laufe der Jahrzehnte
erhielten sechs Versöhnungsbund-Mitglieder den Friedensnobelpreis,
darunter Dr. Martin Luther King, Adolfo Perez Esquivel und Mairead
Corrigan.
Zum Autor:
Clemens Ronnefeldt, Jg. 1960, arbeitet seit 1992 als Referent für
Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen
Versöhnungsbundes. Friedensdelegationen führten ihn mehrfach nach
Israel und Palästina, Libanon, Syrien und Iran, um Friedens- und
Menschenrechtsgruppen zu besuchen. Zuletzt war Clemens Ronnefeldt im
Oktober 2008 in Israel und Palästina.
Kontakt:
Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim Internationalen
Versöhnungsbund - Deutscher Zweig
A.-v.-Humboldt-Weg 8a 85354 Freising
Tel.: 08161 54 70 15 Fax: 08161 54 70 16
C.Ronnefeldt(at)t-online.de www.versoehnungsbund.de
Spendenkonto für die Arbeit des Versöhnungsbund-Friedensreferates:
Sparkasse Minden-Lübbecke, Konto-Nr. 400 906 72, BLZ 490 501 01
Stichwort: "Friedensreferat“.