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 [Aufruf zum Aktionstag]

Demonstration am 18.3.2006 zum US-Hauptquartier in Heidelberg

Redebeitrag von Joachim Guilliard 
(Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg)

 
Wir alle sind seit Herbst 2002 ja schon oft hier am Eingang zu den US- und Nato-Hauptquartieren gestanden, um mal mehr, mal weniger zahlreich gegen den Irakkrieg zu protestieren. Am Montag jährt sich der Beginn des Überfalls, doch auch nach 3 Jahren ist der Krieg noch lange nicht zu Ende. Ein Krieg, der auch von den Hauptquartieren in dieser Kaserne hier mit organisiert wird.
 
Pünktlich zum Jahrestag des Kriegsbeginns begann die US-Armee bei Samarra mit den massivsten Luftangriffen, seit US-Präsident George W. Bush das „Ende der Hauptkampfhandlungen“ verkündete. 50 Kampflugzeuge sind im Einsatz. Im Bemühen, die Städte im Westen und Zentralirak unter Kontrolle zu bekommen, wurden in den letzten Jahren immer wieder Städte angegriffen, Stadtteile verwüstet und die Bewohner zur Flucht gezwungen. Die Großstadt Falluja, die im November 2004 angegriffen wurde, liegt heute noch zum großen Teil in Trümmern.
 
Bereits nach eineinhalb Jahren waren 100.000 – 200.000 Iraker der Invasion und der Besatzung zum Opfer gefallen, so das Ergebnis einer statistischen Erhebung. Die meisten starben eines gewaltsamen Todes, überwiegend durch Angriffe der US-Luftwaffe wie wir sie jetzt wieder erleben. Die USA haben die Zahl der Luftangriffe im letzten halben Jahr um 50% erhöht. 18 Städte und zahllose kleinere Ortschaften kamen in dieser Zeit unter Feuer. – In den Medien wird diese Seite des Krieges völlig ausgeblendet, wer Bilder der dabei angerichteten Verwüstungen und Berichte über die Opfer sehen will, muss auf arabische Medien zurückgegriffen.
Da auch die sonstige Gewalt zunahm, steht zu befürchten, dass sich die Zahl der Opfer des Krieges mittlerweile weit mehr als verdoppelt hat und wir von 200.000 bis 500.000 Toten ausgehen müssen. Auch dies wird systematisch heruntergespielt.
Doch wie sagte Harold Pinter beim Erhalt des Nobelpreises: „Wie viele Menschen muss man töten, bis man sich die Bezeichnung Massenmörder verdient hat.“
 
Die Hoffnung vieler Iraker dass sich nach 13 Jahren mörderischer Sanktionen, unter der Besatzung wenigstens ihre alltäglichen Lebensbedingungen verbessern würden, wurde gründlich enttäuscht. In fast allen Bereichen sind die Verhältnisse schlimmer als vor dem Krieg.
 
Neben fehlender Infrastruktur und mangelnder Versorgung leiden die Iraker vor allem unter der miserablen Sicherheitssituation und vielfältigen Menschenrechtsverletzungen der Besatzungsmacht und der von ihr kontrollierten Regierung. Alle Versuche der USA, dem von ihm geschaffenen Regime Legitimation zu verschaffen, sind gescheitert. Stattdessen verhalfen sie extremistischen kurdischen und radikal-schiitischen Kräften zur Führung des Landes. Unter den Fittichen der Besatzungsmacht bauten diese ihre schwerbewaffneten Milizen auf und durchsetzten Armee und Polizeieinheiten mit ihren Leuten. Spezialkommandos, Milizen und Todesschwadrone, die unter Kontrolle des Innenministers stehen, führen mittlerweile ihren eigenen schmutzigen Krieg gegen ihre politische Gegner.
Nach Einschätzung des früheren Direktors des Menschenrechtsbüros der UN-Unterstützungsmission UNAMI im Irak, John Pace haben die Menschenrechtsverletzungen im Irak längst das Ausmaß der Herrschaft von Saddam Hussein erreicht. Betroffen sei heute jedoch ein weit größerer Teil der Bevölkerung als unter dem alten Regime.
Hintergrund der eskalierenden Gewalt ist nicht, wie es meist heißt, die Feindschaft zwischen den Religionsgemeinschaften. Wenn der Irak tatsächlich in einen Bürgerkrieg gestürzt würde, so vor kurzem Sami Ramadani von den Irakischen Demokraten gegen die Besatzung, dann wird dies kein Krieg Araber gegen Kurden oder Sunniten gegen Schiiten, sondern einer von den USA gestützten Minderheit gegen die Mehrheit der irakischen Bevölkerung.
Die Gefahr eines Zerfalls des Iraks wächst. Nicht in drei Teile für Kurden, Sunniten und Schiiten, sondern in einzelne regionale Einflussgebiete der diversen politischen Kräfte.
 
Die Besatzung im Irak muss so schnell wie möglich beendet und die ausländischen Truppen abgezogen werden. Das Argument, dass dann das Land von Chaos und Bürgerkrieg überzogen würde, ist angesichts der Realität absurd. Zum einen sind Chaos, Gewalt, Terror, Kriminalität und Kriegsverbrechen kaum noch steigerungsfähig. Zum anderen stimmen alle unabhängigen Experten darin überein, dass mit der Beendigung der Besatzung, die Hauptquelle der Gewalt beseitigt würde.
 
Hintergrund für die aktuelle Eskalation der Gewalt, die offensichtlich Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten anheizen sollen, sind u.a. auch das Bestreben der USA den Einfluss der bisher mit ihnen verbündeten radikal-schiitische Kräften zurückzudrängen. Ist doch deren stark pro-iranische Ausrichtung zunehmend zum Hemmschuh für eine aggressivere Politik gegen den Iran geworden.
 
Generell hat die Entwicklung im Irak maßgeblich Einfluss auf die Politik der USA gegen den Iran. Militärschläge z.B. auf den Iran zum jetzigen Zeitpunkt wären mit großer Sicherheit der Anfang vom Ende der Besatzung im Iraks.
Innenpolitisch ist der Irakkrieg für die Bush zu einer schweren Hypothek geworden und erschwert so natürlich weitere kriegerische Abenteuer.
 
Aus diesem Grund gehören das weltweite Engagement gegen die Besatzung des Iraks, die Herstellung von Öffentlichkeit über die fürchterlichen Folgen des Krieges etc. auch zu den wichtigsten Aktivitäten gegen einen drohenden Angriff auf den Iran.
 
Mehr zur Bedrohung Irans später von Pascherie Heidari. Darauf, wie stark die BRD im Irakkrieg verstrickt ist, wird gleich Tobias Pflüger eingehen. Im Konflikt mit dem Iran gehört die deutsche Regierung sogar zu den Scharfmachern, die auch militärische Maßnahmen, sprich Krieg nicht ausschließen mag.
 
Sie knüpft hier an die Rolle an, die sie zuvor schon in den Konflikten auf dem Balkan und schließlich dem Krieg der Nato gegen das verbliebene Restjugoslawien spielte. Auch der Beginn dieses Krieges jährt sich in wenigen Tagen, am 24. März. Sein jüngstes und prominentestes Opfer – Slobodan Milosevic – verstarb vor wenigen Tagen in der Gefangenschaft der damaligen Aggressoren.
 
Ob Milosevic umgebracht wurde, kann nur eine unabhängige Untersuchung klären, einiges spricht dafür, dass zumindest seine Gesundheit gezielt geschädigt wurde. Doch so oder ist das von der Nato eingerichtete Tribunal in den Den Haag selbstverständlich für seinen Tod verantwortlich. Seine schweren gesundheitlichen Probleme waren seit langem bekannt und unabhängige Ärzte forderten schon lange Verhandlungspause und Haftverschonung, da nur so eine Heilung möglich sei.
Stattdessen setzten die Richter Milosevic zeitlich in dem zutiefst unfairen Prozess unter Druck und drohten bei Verhandlungsunfähigkeit das Verfahren mit Pflichtverteidigern fortzuführen und so Milosevics das Recht auf Selbstverteidigung zu berauben.
 
Als das Verfahren begann, sprach man in den Medien vom „Jahrhundertprozess“. Doch trotz dem gewaltigen Stab von Leuten, Geld und Ermittlungsbeamte, der Unterstützung westlicher Geheimdienste und anderer staatlichen Institutionen der Nato-Länder konnten die Ankläger in dem vierjährigen Verfahren für keinen der wesentlichen Anklagepunkte stichhaltige Beweise vorlegen, stattdessen hat der Angeklagte viele Anschuldigungen widerlegt. Die westlichen Medien verloren daraufhin das Interesse. Unberührt von den Verhandlungsergebnissen wiederholen sie nun die alten Vorwürfe.
 
[[Es ist nicht meine Sache, ein Urteil über Milosevic als Politiker abzugeben,  das ist Sache der Jugoslawen bzw. der Serben. Indem er aber die Anschuldigungen der Nato-Staaten gegen ihn, als Präsident Jugoslawiens widerlegte, widerlegte er auch viele der Rechtfertigungen für deren Jugoslawienpolitik und letztlich auch des Krieges.  Aus diesem Grund, ist es wichtig auch bzgl. dem Haager Tribunal am Ball zu bleiben und Öffentlichkeit herzustellen.]]
 
Schriftsteller aus aller Welt wie der Nobelpreisträger Harold Pinter oder die deutschen Ulla Hahn und Christoph Hein haben den Jahrestag des Irakkrieges zum „Tag der Lüge“ erklärt. Tage der Lüge waren aber auch schon zuvor der Beginn des Jugoslawienkrieges und der Krieg gegen Afghanistan. Wir müssen an all diese Lügen erinnern, wenn wir die neuen Lügen entlarven, mit denen neue Kriege vorbereitet werden.