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 [Aufruf und Überblick zu den Aktionen zum 5. Jahrestag

Fünf Jahre Besatzung – fünf Jahre Chaos, Gewalt und Elend

Eine Million Tote und vier Millionen Flüchtlinge – deutsche Regierung mitverantwortlich für eine der größten humanitären Katastrophen der letzten Jahrzehnte.

Joachim Guilliard, Rede zum Auftakt der 24-Stunden-Mahnwache am 20.3. 2008

Genau vor 5 Jahren begann der Überfall auf den Irak. Am frühen Morgen um 3.30 Uhr ging der erste Bombenhagel auf Bagdad und andere irakische Großstädte nieder. 20 weitere lange Bombenächte und –tage folgten. 3 Wochen lang musste die irakische Bevölkerung ohnmächtig mit ansehen wie ihr Land erneut in Schutt und Asche gelegt wird.

Wie 12 Jahre zuvor traf es auch diesmal in hohem Maße die zivile Infrastruktur – das Markenzeichen moderner High-Tech-Kriegführung. Die Jugoslawen mussten dies 1999 ebenfalls erleben. Auch dieser Krieg jährt sich in wenigen Tagen, am 24. März.

So schlimm der Überfall die Iraker/innen traf – das schlimmste sollte erst noch folgen.
Die Besatzung begann mit Plünderungen und Brandschatzungen, die oft von Besatzungstruppen sogar gefördert wurden. Die meisten öffentlichen Gebäude, Behörden wurden ein Raub der Flammen, auch Museen und Bibliotheken damit unschätzbare kulturelle Schätze Mesopotamiens wurden zerstört. Aufgrund der ersatzlosen Auflösung von Polizei und Armee brach Sicherheit und Ordnung bald darauf völlig zusammen. Auch in allen anderen Bereichen verschlechterten sich die Lebensbedingungen Jahr für Jahr.

Die Bilanz der 5 Jahre Besatzung ist verheerend: Gesundheits- und Bildungswesen sind am Boden, Strom fließt nur stundenweise, 70 Prozent der Haushalte sind von der Wasserversorgung abgeschnitten. Fast die Hälfte (43 Prozent) der 26,5 Millionen Irakerinnen und Iraker leben, wie die britische Hilfsorganisation Oxfam im Juli letzten Jahres berichtete, in absoluter Armut. Über 60 Prozent der Bevölkerung sind vollständig auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, die wiederum auf Druck von IWF und Weltbank Jahr für Jahr zusammengestrichen wurde. Der monatliche Warenkorb enthält mittlerweile noch 5 Lebensmittel. Knapp 6 Milliarden US-Dollar fehlen, um in diesem Jahr wenigstens die Menge von 2007 halten zu können. Das entspricht den Kriegs-Kosten der USA für 2 Wochen Krieg!

Am meisten betroffen von der Misere sind wie immer die Kinder: waren bereits vor dem Einmarsch der USA, in Folge des Embargos, 19 Prozent der Kinder wegen Unterernährung im Wachstum zurückgeblieben, so waren es im Juni 2007 schon 28 Prozent.

Jahr für Jahr nahm auch die Zahl der Opfer zu: im ersten Jahr waren es 90.000 im zweiten 180.000 und im dritten 330.000 Irakerinnen und Iraker die an den Folgen von Krieg und Besatzung starben. Mittlerweile über stieg die Zahl der Opfer bereits eine Million. Über vier Millionen sind auf der Flucht, das ist fast ein Sechstel der Bevölkerung.
Die US-geführte Aggression führte somit zur, nach den Kriegen im Kongo, weltweit größten humanitären Katastrophe der letzten Jahrzehnte

Natürlich bestreitet niemand dass die Situation fürchterlich ist.
Im Westen werden aber mittlerweile die Iraker selbst für die Misere, für Chaos und eskalierende Gewalt verantwortlich gemacht: im Blick sind „Aufständische“, Terroristen, Milizen, der Einfluß des Irans etc. – alles nur nicht eines: die Besatzung selbst.

Doch auch wenn es in den Medien oft so scheint: die Iraker haben sich nicht selbst angegriffen! Die gesamte Katastrophe ist eine Folge des Krieges und eine gezielten rücksichtlosen Besatzungspolitik. Die USA tragen für die gesamte Katastrophe die volle Verantwortung und mit ihnen all die, die sie dabei unterstützen, nicht zuletzt auch die Regierungen Schröder und Merkel.
Die gesamte Katastrophe ist eine Folge des Krieges und eine gezielten rücksichtlosen Besatzungspolitik. Die USA tragen für die gesamte Katastrophe die volle Verantwortung und mit ihnen all die, die sie dabei unterstützen, nicht zuletzt auch die Regierungen Schröder und Merkel. Wir dürfen nicht zulassen dass dieses kolossale Verbrechen plötzlich in eine Hilfsaktion zum Schutz der Iraker vor sich selbst umgedeutet wird.

Hier wird nun so getan als wäre die eskalierende Gewalt von traditionellen religiösen Konflikten, die nun aufbrechen würden. Jeder den Irak kennt – leider nur ein Bruchteil derer die hierzulande darüber schreiben – weiß dass dies Unsinn ist. Tatsache ist, dass die irakische Geschichte bisher solche Gewaltausbrüche nicht kannte. Autobomben, Selbstmordattentate etc. all dies kam erst mit den Besatzern ins Land. Es waren die Besatzer, die von Anfang an auf eine Spaltung der Gesellschaft in Kurden, Schiiten, Sunniten etc. setzten, eine Spaltung, die es im politischen Leben nicht gab. Und sie verbündeten sich mit extremen Kräften die tatsächlich eine völkisch-separatistische bzw. sektiererische, religiös-fundamentalistische Agenda haben. Diese stellen die Regierung, ihre Polizei und ihre Milizen sind maßgeblich für die Gewalt verantwortlich.

Die hauptsächliche Gewalt besteht zudem nicht in Autobomben und Selbstmordattentate. Wie die „Lancet-Studie“ und Recherchen von Menschenrechtsgruppen ergaben, gehen die meisten Opfer von Gewalt auf das Konto der Besatzungstruppen, der irakischen Armee und Polizei, sowie regierungsnahen Milizen. Ein Siebtel aller Opfer kam allein durch Luftangriffe ums Leben – mehr als durch alle Autobomben und Selbstmordattentate zusammen, die die Bilder der Gewalt in den Medien prägen.

Von all dem dringt wenig an die Öffentlichkeit. Hier erfährt man im Wesentlichen nur die Sicht der Besatzungsmacht. Der Krieg den die USA führen wird vollst. ausgeblendet.

Jürgen Todenhöfer brachte es bei der Talk Show von Johannes B. Kerner auf den Punkt: so gut wie nichts was hier in den großen Medien berichtet wird, ist geeignet sich auch nur ansatzweise ein realistisches Bild zu machen.
„Im Fernsehen sieht man den wahren Krieg nicht“, Todenhöfer in der FR vom Dienstag (18.3.08.) Das Pentagon nutze sein Informationsmonopol konsequent aus. Es gibt im Schnitt 100 Angriffe der US-Truppen am Tag – Schießereien, Razzien, Bombardierungen – nichts davon ist hier zu sehen. Auch nichts von den 100 Aktionen des bewaffneten Widerstandes, den er völlig legitim hält. Zu sehen sind nur 2-3 Selbstmordanschläge von Al Kaida, Terrorgruppen, die von den Irakern noch mehr verabscheut werden als von uns. – Sein Buch ist sehr zu empfehlen.

Mehr noch empfehle ich die Berichte von US-amerikanischen Irakkriegsveteranen anzuschauen. Hier wird schnell klar warum der Widerstand so schnell so stark wurde und ein Drittel der Bevölkerung Angriffe auf die Besatzungstruppen gut heißt. Und sie machen deutlich, wer tatsächlich die schlimmsten Terroristen im Land sind.

Es besteht kein Zweifel – egal wie es hinter weitergeht – der erster Schritt raus aus dem Schlamassel kann nur darin bestehen, dass die Besatzungstruppen schleunigst abgezogen werden.

Das fordert schon lange auch die überwiegende Mehrheit der Iraker unabhängig ihrer Konfession.

Die Washington hält jedoch unbeirrt an der Besatzung fest. Riesige permanente Militärbasen, ausgestattet mit allem war US-Soldaten einen Aufenthalt angenehm machen zeigen deutlich, dass ein Abzug für die US-Eliten nicht in Frage kommt, da wird – so steht zu befürchten auch ein Wechsel im Weißen Haus vorerst nichts ändern. Trotz der immensen Kosten, die der Krieg auch für die USA bedeuten – Experten sprechen von 3 Billionen Dollar – und die maßgeblich zur Finanz-Krise in den USA beitragen und trotz bald 4.000 getöteten und über 40.000 schwer verwunderter Soldaten.

Der Druck wird noch wachsen müssen – die Antikriegsbewegung in den USA und GB hat auch in dieser Woche wieder mächtig mobilisiert, bei hunderten Aktionen gingen wieder Hunderttausende auf die Straße. Sie braucht unsere Unterstützung.

Dazu gehört vor allem, dass wir unsere Hausaufgaben machen und Druck auf unsere Regierung machen, dass endlich die deutsche Unterstützung für diesen Krieg beendet wird. Nach wie vor läuft der größte Teil des Nachschubs über See- und Flughäfen in Deutschland, auch die Truppen selbst werden mittlerweile zum großen Teil über die Zivilflughäfen in Leipzig und Hahn an die Front geschickt. In Heidelberg – hier in dieser Kaserne – wiederum sitzt ein Teil der Stäbe der US-Armee und der NATO, die den Krieg in Irak und Afghanistan organisieren.

Das muss aufhören!

Solange die deutsche Regierung die Nutzung der Einrichtungen hier für den Krieg nicht untersagt und solange sie sich auch politisch voll hinter die Besatzungspolitik stellt, ist sie auch voll mitverantwortlich für das irakische Elend und die vielfältigen Kriegsverbrechen die Tag für Tag von der Besatzungsmacht begangen werde.

Nicht zu trennen vom Krieg im Irak ist der in Afghanistan, Hier ist Deutschland unmittelbar mit eigenen Truppen dabei. Das geschieht offiziell zwar im Rahmen der Nato-geführten sogenannten „Stabilisierungskräfte“ ISAF, die mit dem Segen der UNO den Wiederaufbau des Landes absichern, praktisch sind sie seit langem Teil des Krieges und der Besatzung des Landes.
Jede Bundeswehreinheit in Afghanistan wiederum, macht zudem auch britische und amerikanische Kräfte für den Irak frei.
All diese Auslandseinsätze und Kriegbeteiligungen verstoßen gegen Geist und Buchstaben der Verfassung und gegen internationales Recht. Sie müssen umgehend beendet werden.

Wir protestieren auch entschieden gegen jegliche Kriegsvorbereitungen, Drohungen und Erpressungen gegen den Iran und fordern die deutsche Regierung auf, nicht weiter die Eskalationsstrategie mitzutragen. Die Sanktionen gegen den Iran müssen beendet und Verhandlungen ohne Vorbedingungen begonnen werden, wobei vom Grundsatz von gleichem Recht für alle ausgegangen werden muß. Man kann nicht einseitig Forderungen an den Iran stellen, der bisher alle seine Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag eingehalten hat, selbst aber massiv das tatsächlich vorhandene Arsenals zu modernisieren.
Wir sind für eine grundsätzliche Abschaffung aller Atomwaffen– beginnen müssen damit aber die Staaten, die darüber verfügen. Dasselbe gilt für die Kernenergie allgemein, die wir für eine sehr gefährliche und unverantwortliche Technologie halten, die schleunigst abgeschafft werden muss.

Gleichfalls nicht zu trennen sind diese Kriege und Kriegsdrohungen vom israelisch-palästinensischen Konflikt. Dieser wird von israelischer Seite mit Rückendeckung aus den USA und der EU immer weiter eskaliert. Die deutsche Regierung und alle im Bundestag vertretenen Parteien, inklusive der LINKEN beteiligen sich am Boykott der Hamas, die in fairen Wahlen die Mehrheit erhielt und unterstützen so die Hungerblockaden gegen den Gazastreifen.
Bundeskanzlerin Merkel übte während ihres Staatsbesuchs zu den 60-Jahresfeiern der israelischen Staatsgründung den Schulterschluss mit den USA und vermied jeden Hinweis auf die Verliererseite des israelischen Erfolges und auch die leiseste Kritik an der völkerrechtswidrigen Politik des engen Verbündeten in der Region.
Sie brachte es fertig, just in dem Moment eine Ausweitung der militärischen Kooperation zu verkünden, als die Exekution von fünf Palästinenser durch ein israelisches Todesschwadron die gerade vereinbarte Waffenruhe torpedierte und bei Angriffen der israelischen Armee auf den Gazastreifen über hundert Palästinenser getötet wurden, darunter zahlreiche Kinder.

Angesichts der israelischer Haltung zu palästinensischer Gewalt fühlt sich Uri Avnery an eine alte Geschichte über eine jüdische  Mutter erinnert, die ihrem Sohn mit der Zarenarmee gegen die Türken ziehen musste, riet: „Streng dich nicht zu sehr an“, ermahnte sie ihn, „töte einen Türken und ruh dich aus. Töte noch einen Türken und ruh dich wieder aus….“

„Aber Mutter,“ fragte er, „und wenn der Türke mich tötet?“
„Dich töten?“ rief sie aus „Warum? Was hast du ihm denn getan?“

Israel tötete, so Avnery sogar hundert Palästinenser und wundert sich öffentlich über die Reaktion.

Diese Haltung ist jedoch keine Spezialität der Israelis, die Mehrheit der westlichen Politiker und Medien verhalten sich nicht anderes wie die jüdische Mutter – in Palästina, Afghanistan, Irak und der gesamten einstigen Dritten Welt. Diese Sicht zu ändern ist eine der wichtigsten Aufgaben der Friedensbewegung.

Wir fordern: