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Informationen und Stellungnahmen zum Panorama-Beitrag
"Spenden für den Terror - Deutsche unterstützen Attentäter im Irak" v. 11.12.2003
Das ARD-Magazin Panorama strahlte am Donnerstag den 11.12. abends einen skandalösen Beitrag über die mutmaßliche Unterstützung des bewaffneten Widerstands im Irak durch die hiesige Friedensbewegung aus
Das Magazin stellt die Besatzung als legitime Ordnung dar und diffamiert unterschiedslos den Widerstand dagegen als terroristisch. Im Beitrag kommen die Interviewten böswillig verzerrt zu Wort, indem aus den Interviews nur wenige aus dem Zusammenhang gerissene Fetzen gebracht werden. Der Bericht selbst enthält eine ganze Reihe von Falschaussagen und um Zusammenhänge vorzutäuschen, wurden Kommentare mit falschen Bildern unterlegt. Die Mitarbeit des Antikriegsforums und anderer Gruppen wurde durch arglistige Täuschung erschlichen.
Ich dokumentiere im folgenden den Sachverhalt und nehme dazu Stellung (siehe auch das Interview mit mir in der jW vom 13.12.).
Joachim Guilliard,
Heidelberg, 13.12.2003
»» Weiter Informationen und Stellungnahmen siehe im Überblick zur Panormasendung
1. Täuschen und Fälschen – zur Vorgeschichte der Sendung
Heidelberg
Der freie Journalist John Goetz, besuchte uns in Heidelberg und behauptete, er mache für das ARD-Magazin Monitor eine Reportage über die "Friedensbewegung nach dem Irak-Krieg" in der er der Frage nachgehen wollte, "warum von der Friedensbewegung – die vor dem Krieg zu Hunderttausenden auf der Straße war, nun trotz der katastrophalen Verhältnisse im Irak unter Besatzung so wenig zu sehen ist"
Sein Engagement klang echt und er hatte tatsächlich schon gute Beiträge für Monitor gemacht, zuletzt über den Einsatz von napalmähnlichen Brandbomben durch die US-Luftwaffe im Irak. Dadurch erschlich er sich das Vertrauen. Er wusste, dass weder ich noch andere aus dem Antikriegsforum für Panorama zur Verfügung gestanden hätten. (Siehe auch die Stellungnahmen von Jane Zahn und Michael Schiffmann). Als wir wenige Tage vor der Sendung herausbekamen, dass wir offensichtlich arglistig getäuscht wurden und wir aufgrund des üblen Rufs von Panorama gleich befürchteten, dass von den Interviews nur aus dem Zusammenhang gerissene Halbsätze in einem üblen Kontext verwendet werden, habe ich, wie auch eine Reihe anderer Interviewten die Verwendung dieser Interviews ausdrücklich untersagt. Wir werden den Presserat über die üblen Praktiken informieren und weitere rechtliche Schritte prüfen. Wie zu erwarten wurde tatsächlich dann nur die Interview-Fragmente gebracht, die ihnen in den Kram passten, z.T. grob verfälscht (s.u.). Von den vielen befragten Teilnehmern der Mahnwache, die sich aus Prinzip gegen die Anwendung von Gewalt aussprachen, kam kein einziger Satz.
Duisburg
In Duisburg arbeitete Goetz mit denselben falschen Angaben, "under cover" sozusagen. Auch hier wurde aus Interviews und Aufnahmen von Diskussionen nur die paar Sequenzen herausgenommen, mit denen die Autoren ihren Beitrag stützen konnten. Ein Diskussionsabend, bei dem auch ein ORF-Film über den Irak gezeigt wurde, in dem Guerilleros in Waffen vorkamen, wurde als Filmabend über die Tätigkeiten der von den Aktivisten der Initiativ e.V. - Verein für Demokratie und Kultur von unten unterstützten "Patriotische Allianz" deklariert. O-Ton: "Was diese patriotische Allianz so macht, zeigt sie vor laufender Kamera – Terroranschläge – ehrfürchtig betrachten die Duisburger solche Aufnahmen" (siehe Stellungnahme der Initiativ e.V.)
Wie im jW-Interview mit einem ihrer Führer nachzulesen ist, arbeitet diese Allianz – die entgegen der Kommentare von Panorama durchweg in Opposition zum Baath-Regime stand – offen in Bagdad, versucht zivilen Widerstand zu organisieren und strebt eine "breite nationale Widerstandsfront" an.
Kassel
Auch auf dem "Friedensratschlag in Kassel" wurde viel gefilmt und interviewt (hier von Volker Steinhoff). Ich hatte dies John Goetz auch geraten. Für den von mir empfohlenen Beitrag von Hans v. Sponeck und die anschließende Podiumsdiskussion über die Perspektiven aus dem Irakkrieg, zeigte das NDR-Team allerdings kein Interesse. Wie in Heidelberg wählten die Autoren auch hier anschließend, mit einer Ausnahme, nur die Interviews aus, die den von ihnen gewünschten Eindruck stützen. Alles was sich nicht auf ein uneingeschränktes Ja zu bewaffneten Aktionen reduzieren lies, wurde ignoriert.
2. "Patchwork" – zur "kreativen" Auswertung der Interviews mit mir
Viel Mühe gaben sich die Herren Goetz und Steinhoff mit mir. Das Interview in Heidelberg dauerte ca. 90 Minuten. Wobei Goetz sich am Ende ausschließlich auf die Kampagne zur Unterstützung des bewaffneten irakischen Widerstands konzentrierte und immer wieder nachbohrte, obwohl ich sichtlich genervt war und ihm zu erklären versuchte, dass diese Frage in der deutschen Friedensbewegung keine Rolle spielt.
Aus diesen vielen Versuchen wurden nun zwei Sätze völlig aus dem Zusammenhang gerissen und gesendet. So hatte mich Goetz beispielsweise gefragt, ob denn der bewaffnete Widerstand angesichts der Übermacht des Gegners Sinn mache. Meine fünf oder sechs mal wiederholte Antwort darauf (sichtlich genervt), dass sich die Guerilla zu Recht Chancen ausrechnen kann, daß die Irakbesatzung in den USA innenpolitisch irgendwann nicht mehr haltbar sein wird, wenn sie den US-Truppen viele Verluste zufügt, klingt im Beitrag, durch entsprechenden Schnitt so, als würde ich die Iraker auffordern, möglichst viele US-Soldaten zu töten.
Tatsächlich habe ich im Interview immer darauf hingewiesen, dass unter Widerstand nicht nur der militärische zu verstehen ist, sondern auch der zivile, wie Demos, Verweigerung, Streiks. Genauso wenig wie in meinen schriftlichen Beiträgen zum Thema habe ich mich im Interview speziell für eine Unterstützung des militärischen Widerstands eingesetzt.
Wir sprachen auch über die verschiedenen Positionen innerhalb der Friedensbewegung, die nicht mit prinzipiellem Pazifismus gleichzusetzen ist. Ein Großteil lehnt Gewalt prinzipiell ab, andere dagegen räumen Angegriffenen und Unterdrückten durch das Recht ein, sich auch unter bestimmten Umständen auch bewaffnet gegen Unterdrückung und Fremdherrschaft zur Wehr zu setzen.
Niemand macht es sich aber in der Frage der Anwendung von Gewalt leicht. Ich wies im Gespräch z.B. auch daraufhin, welche schwere Hypothek ein bewaffneter Widerstand im Falle des Erfolgs für den gesellschaftlichen Aufbau in der Zeit danach ist - allein durch die damit einhergehende Militarisierung, unabhängig von der Lauterkeit der Ziele der KämpferInnen. Und auch darauf, daß es selbstverständlich zu bedauern ist, dass so viele junge US-Amerikaner tot oder verstümmelt zurückkehren. – Im Gegensatz zu der Panoramaredaktion mache ich aber dafür die verantwortlich, die sie in den Irak schickten und zu Eroberern und Besatzern machten.
Im langen Gespräch hatte ich eigentlich versucht wiederzugeben, was ich auch in einer Reihe von Artikeln zum Thema ausgeführt habe. Am ausführlichsten in "Irak – die neuen Phase des Krieges, die von der Informationsstelle Militarisierung als IMI-Sudie 2003/05 herausgegeben wurde, stark zusammengefasst auch im Neuen Deutschland vom 6.12. nachzulesen.
Am ausführlichsten ging ich im Beitrag, in dem von mir mitherausgegebenen Buch "Der Irak - Krieg, Besatzung, Widerstand", das gerade bei PapyRossa erschien, darauf ein, welche möglichen Wege aus der Misere im Irak ich sehe.
Hier heißt es im letzen Kapitel:
"Unabhängig von den Risiken: Vorbedingung eines jeden realistischen Weges aus der aktuellen Misere ist der Rückzug der Invasionstruppen im Rahmen eines knappen, aber realistischen Zeitplans. Erst wenn sicher ist, dass diese das Land verlassen, können die Vereinten Nationen tatsächlich Verantwortung bei der staatlichen Reorganisation, dem Wiederaufbau und der Herstellung von Sicherheit übernehmen, ohne als Teil der Besatzungsmacht angesehen zu werden. Erst dann ist mit breiterer Unterstützung der Iraker zu rechnen und gibt es eine realistische Chance – innerhalb dieses Zeitplans – eine Übergangsregierung auf breiter Basis bilden und – bei Bedarf – den Übergang durch klassische UN-Blauhelme aus neutralen Staaten absichern zu können.
Jede internationale Unterstützung für das Besatzungsregime hingegen legitimiert den US-Anspruch auf den Irak und verlängert das Leid der Menschen – der Iraker und auch der ausländischen Soldaten".
Der Beitrag schließt mit:
"Mit militärischen Mitteln allein werden die USA kaum zum Rückzug zu bewegen sein. Entscheidend für den Widerstand gegen die Besatzung – und auch der Zeit danach – wird der Ausbau zivilgesellschaftlicher Strukturen im Irak sein, die in der Lage sind, gewaltfreie Massenaktionen, wie Demonstrationen, Streiks und Boykotts gegen die Besetzung zu koordinieren. Der Erfolg wird nicht nur entscheidend für die Zukunft des Landes selbst sein. Er wird einen wesentlichen Einfluss darauf haben, in welchem Maß die USA ihre aggressiven Pläne gegenüber anderen Ländern weiter verfolgen können. Die Unterstützung des Widerstands ist daher zu einer unmittelbaren Aufgabe der Antikriegsbewegung geworden."
Der Link von der Panorama-Seite auf einen Beitrag von mir auf der Internetseite des Heidelberger Forums enthält als Titel "Weltherrschaft durch kreative Zerstörung" - es sollte assoziert werden, daß die Anschläge der irakischen Guerilla für uns "kreative Zerstörung" wäre. Es ist aber ein Begriff der "neokonservativen" Falken in den USA, die mit Bush an die Regierung kamen, den ich als Kapitelüberschrift gewählt habe.
3. Fazit
Dieser Fernsehbeitrag wurde sehr zielgerichtet und mit unserer unfreiwilligen Mithilfe auch recht geschickt verfasst, um den irakischen Widerstand in all seinen Formen zu diskreditieren, die Friedensbewegung in dieser Frage auseinander zu dividieren und den Weg zu einer deutschen Beteiligung bei der Besatzung zu ebnen.
Dafür garantierten auch zumindest zwei der Autoren: Volker Steinhoff der die Interviews in Kassel machte, hat auch den Panorama-Beitrag über "Verschwörungstheorien" zum 11.9. mitverfasst. Dort wurde der Nazi Horst Mahler zur besten Sendezeit präsentiert und mit den diversen vorgeführten Autoren kritischer Bücher und Artikel zum Thema, auf eine Stufe gestellt. (siehe hierzu die Dokumentation der Arbeiterfotografie).
Mitautor der Sendung ist zudem Ivo Bozic, Redakteur der "antideutschen" jungle World, die nicht müde wird, für die Unterstützung von Bushs Terrorkriegen zu werben.
(Zur Unterstützung ihrer Haltung durch die Irakische Kommunistische Partei, die flugs zu "der irakischen Linken" erklärt wird, siehe den jüngsten Aufruf dreier führender irakischer Kommunisten.)
Um das Thema in den Griff zu bekommen wird der Begriff Widerstands zunächst allein auf den militärischen reduziert. Nur so lässt sich auch die angeprangerte 10-Euro-Kampagne so richtig aufs Korn nehmen, die in ihrem Aufruf an keiner Stelle sich auf bewaffnete Aktionen bezieht, sondern sich für die Unterstützung des Aufbaus "einer breiten und vielfältigen Bewegung" ausspricht. Eine Kampagne, die wie auch die Autoren ganz genau wissen, weder aus den Reihen der Friedensbewegung kommt, noch hier größere Resonanz gefunden hat. Ihnen war auch bekannt, dass die meisten Gruppen der Friedensbewegung sich kaum noch um das Thema Irak kümmern. Es ging also mehr darum, dafür zu sorgen, dass dies so bleibt.
Ganz offen stellt sich somit Panorama – eine Redaktion des öffentlich-rechtlichen Fernsehens – beim Thema Irak, wie schon bzgl. der Rechtfertigung des Kriegskurses durch den 11.9., hinter die USA und ihre Verbündeten, d.h. der Aggressoren. (Siehe hierzu auch Jürgen Roses Artikel Den Bruch riskieren , in dem er feststellt, daß aktuell eine regelrechte Kampagne im Stile der psycholigischen Kriegführung läuft, um den US-Kolonialkrieg gegen den Irak zu unterstützen)
Wie die US-Regierung und regierungstreue US-Medien werfen sie Anschläge auf militärische Ziele mit denen auf irakische Zivilisten, Hilfsorganisationen etc. in einen Topf. Bilder von blutigen Terroranschlägen untermalen die Sendung, mehr als 10 000 im Krieg ermordete Zivilisten und mehrere zehntausend abgeschlachtete Soldaten finden keine Erwähnung. Keine Rede natürlich auch von den täglichen Menschenjagden, Vergeltungsschlägen und fürchterlichen Haftbedingungen unter den neuen Herrscher. Nach wie vor sterben weit mehr Iraker durch die Gewalt der Besatzer als umgekehrt – die Besatzungsmacht macht sich nicht mal die Mühe sie zu zählen. Das weitaus größte Kontingent ausländischer Terroristen trägt aus Sicht der Iraker daher britische, polnische, italienische oder US-amerikanische Uniform. (siehe hierzu auch Kreative Zerstörung ist unsere zweite Natur (ND 6.12.2003), Schönheitsoperation im Irak und Irak - Herrschaft durch Destabilisierung - Unter der Besatzung ist kein Frieden in Sicht, analyse & kritik, 21.11.2003)
Die Besatzungsherrschaft – unbestreitbar das Ergebnis eines völkerrechtswidrigen und grausamen Krieges – erscheint bei Panorama hingegen als legitime Ordnung, die Invasionstruppen als ihre alteingesessenen Hüter. All die, die sich dagegen wehren, gegen die Gewalt der Besatzer und die Ausplünderung des Landes, sind - so die Botschaft der Panoramasendung an Millionen von Haushalte - "Terroristen". (Wir kennen dies aus den Indianerfilmen, wo die armen Siedler, die nur ein wenig Land eingezäunt hatten, von den brutalen Indianer bedroht werden). Nicht die Besatzungspolitik, sondern der bewaffnete Widerstand sei verantwortlich für die katastrophale Lage.
Mit einer solchen Darstellung soll der überwiegend ablehnenden Haltung der deutschen Bevölkerung bezüglich eines deutschen Engagements an der Seite der USA entgegengearbeitet und der Weg zu einer deutschen Beteiligung im Irak geebnet werden.
Dem wollen wir auch weiter entgegentreten: vor allem durch die Aufklärung über die tatsächlichen Verhältnisse unter Besatzung und die räuberischen Ziele der Invasoren. Wir werden uns aber auch weiterhin dagegen wenden, dass über die Diffamierung legitimer Formen des Widerstands – unabhängig davon, wie wir persönlich dazu stehen – mittels der Rhetorik vom "Kampf gegen den Terror" für Unterstützung der anglo-amerikanischen Kriegs- und Besatzungspolitik geworben wird.
»» Überblick über Informationen und Stellungnahmen
Initiativ e.V. - Verein für Demokratie und Kultur von unten, Duisburg
Jürgen Grässlin, Presseerklärung der DFG/VK Widerstand ja - aber gewaltfrei!
und die Antwort von Joachim Guilliard darauf
sowie von Hanna Ackermann, Friedensforum Duisburg
Einige persönliche Gedanken: Mein Vater, der Terrorist.
Klaus Hartmann, Deutscher Freidenker-Verband
Gehirnwäsche im Dienste der Angriffskrieger
Interessant ist auch das Diskussionsforum von Panorama